
Meinungsgemeinschaften: Aktive Partizipation statt passiven Konsumieren
Für Lasarzfeld war dieser Kommunikationsfluss unidirektional und irgendwie hierarchisch—von Medien aus durch die Meinungsführer bis zu den „Opinion Followers“. Die ganze Informationskultur ist heutzutage viel mehr multidirektional und demokratisch. Menschen nicht nur passive Empfänger der Botschaften der Massenmedien. Das Internet und besonders die Web 2.0 Entwicklungen der letzten Jahren geben uns die Möglichkeit, viel aktiver an der Informationskultur teilzunehmen.
Heutzutage müssen wir alle nicht nur passive Konsumenten von Medien bleiben, sondern wir können aktive Prosumenten werden. Jeder kann zum Beispiel Blogs schreiben und Inhalte mit einander teilen. Es ist eine Ära der Partizipation. Es gibt heute laut Wikipedia über zwei hundert Million Blogs, und 54% von denen werden täglich aktualisiert. Im Sinne von Web 2.0 sind Leute nicht nur Readers sondern Readers/Writers.
In der Ära des Internets und Web 2.0 gibt es auch „Meinungscommunities“ und nicht nur Meinungsführer.
Durch Social Networking u.ä. wird eine Art Diskussion und Partizipation ermöglicht, die früher gar nicht möglich war. Ganz viele Menschen sind Teil der virtuellen Netzwerke. Innerhalb dieser Netzwerke gibt es zwar einige Opinion Leaders, aber ich glaube man bildet auch seine Meinung durch Gespräche mit Mitgliedern seines persönlichen Netzwerkes. Ich habe es an mir gemerkt, meine Meinung hat sich oft geändert nachdem ich mich mit anderen ausgetauscht habe—auch mit Leuten von denen ich im Grunde politisch entfernt bin. Das ist Meinungsbildung durch Gespräche anstatt durch passives Aufnehmen. Diese Gespräche finden mit Leuten außerhalb der lokalen (Arbeitsplatz, Nachbarschaft, usw.) Netzwerke statt. Das sind Gespräche unbegrenzt von Geographie oder Zeit—nicht nur face to face synchrone Diskussionen sondern auch asynchrone, geographisch verstreute Konversationen.
Diese Art von Kommunikation ist keine Rede von oben (der allwissenden Autorität der „Massenmedien“), sondern informelle Kommunikation unter Peers. Es handelt sich hier um eine Demokratisierung des Wissens.
Alte und neue virtuelle Meinungsführer
Die klassischen Massenmedien sind also nicht mehr unbedingt König. Es gibt im Long Tail viel mehr Kanäle von Informationsquellen.
Ich stimme aber Dr. Merten zu, dass es heute trotzdem viele virtuelle Meinungsführer gibt. In den USA sind zum Beispiel einige davon zu massiven Stars geworden.
Parallel zu dieser Entwicklung gibt es aber innerhalb der persönlichen Netzwerke auch eine neue Art von virtuellen Meinungsführern, die nicht nach Mertens Auffassung bekannte Persönlichkeiten sind. Die neuen virtuellen Meinungsführer können Leute sein, die man persönlich kennt. Sie können auch Freunde von Freunden sein. Die können Leute sein, die ein Blog schreiben. Oder sie sind nach Andy Warhols „Everyone will be a star“ Vorstellung berühmt und haben ihre 15 Minuten im Rampenlicht.
Es gibt auch communities of practice wo Leute in ihrem Fach Meinungsführer sind, die in anderen Bereichen eher Meinungsfollowers sind. Es ist heutzutage so, dass fast jeder zu einer Art Meinungsführer in seinem eigenen Bereich werden kann.
Komplexe Ära der Inklusion und Multidimensionalität
Es ist eine komplexe und multidimensionale Ära in der wir leben. Einige sind Mitglieder einer Meinungscommunity. Einige bilden autonom im Sinne von Merten ihre Meinungen, und gleichzeitig bilden andere ihre Meinungen beeinflusst von bekannten Medienpersönlichkeiten. Da gibt es auch die digitale Kluft, die zu dieser Multidimensionalität einen Beitrag leistet.
Zu Komplexität gehören auch Paradoxe. Dies ist ein era of inclusion. Eine Realität schließt andere Realitäten nicht aus, sondern parallele Welten existieren nebeneinander. Der Philosoph Schopenhauer hat einst gesagt, „In gleicher Umgebung lebt doch jeder in einer anderen Welt.“ Das war wohl immer so, nur jetzt ist es offensichtlicher und wegen der Komplexität dieses Zeitalters vielleicht intensiver denn je.