
Wenn ich mich zu einem der gesellschaftlichen Milieus nach Schulze einordnen müsste, gehörte ich dann ziemlich eindeutig zu dem Selbstverwirklichungsmilieu.
Ich kann mich aber teilweise auch in allen anderen Milieus wieder finden. Zum Beispiel in dem Niveaumilieu (Fortbildung, Sprachen lernen, Bücher lesen, politische Diskussionen, intellektuelle Orientierung), Unterhaltungsmilieu (Pop, Rock, Fitness, Videos anschauen), Integrationsmillieu (Fernsehen, Unterhaltungsmusik, E-Musik, Schauspielhausbesuch) sowie in dem Harmoniemilieu (Naturfilme). Ich lehne aber die hierarchische Orientierung des Niveaumilieus kategorisch ab. Dafür bin ich viel zu „postmodern“. Anderseits bin ich kein Yuppie und würde eine mögliche Konsumorientierung des Selbstverwirklichungsmilieus auch ablehnen.
Ich glaube, ich habe wie jeder Mensch, verschiedene Facetten und Interessen. Manchmal wirkt das vielleicht „widersprüchlich“. Ist es aber nicht. Eine Person kann durchaus Elemente von verschiedenen Milieus verkörpern. Wir sind alle einmalige Menschen und nicht (nur) demographische Kategorien. Wir leben doch in unseren eigenen personalisierten Welten. In gewisser Weise stellen wir unser eigenes Milieu nach persönlichen Wünschen und Bedürfnissen zusammen—genau wie Musik auf einem MP3 Player. iMilieu also.
Ich finde aber, die verschiedenen Milieus sind hilfreich als Orientierung, die moderne soziale Landschaft zu verstehen. Ich kann mich schon da einordnen, obwohl ich aus dem Ausland komme und Schulzes Studie sich ganz spezifisch auf Deutschland bezieht. (In meiner Heimat USA sind ähnliche Milieus zu erkennen, wenn auch ein bisschen anders aufgeteilt und eventuell auch mehr „politisiert“)
Es geht in meiner „personalisierten“ Auffassung des Selbstverwirklichungsmilieus wirklich um persönliche Entwicklung durch authentische Erlebnisse. Das Wichtigste ist nicht unterhalten zu werden oder materialistiche Dinge anzuhäufen, sondern es geht vielmehr um persönliche Entdeckungen—sich selbst, die weite Welt, neue Perspektiven, Ideen die bewegen können, die persönliche Berufung und den tieferen Sinn des Lebens.
Für mich ist der Zweck meines Lebens auch nicht primär mich einer Gesellschaft anzupassen, sondern mich weiter zu entwickeln und etwas Wertvolles zu lernen und erleben. Das Streben nach Rang und Hierarchie (Niveaumilieu) oder Streben nach Konformität und soziale Erwartungen (Integrationsmilieu) interessiert mich weniger. Eigentlich halte ich einen zu starken Fokus auf Hierarchie und Konformität für eher unpassend in einer Welt, die vielmehr Zusammenarbeit und kreatives Denken braucht. Dafür ist die Entwicklung der Persönlichkeit Voraussetzung und sollte nicht als „egoistisch“ betrachtet werden. Denn eigentlich ist ein Fokus auf die Entwicklung der Persönlichkeit gar nicht egoistisch. Im Gegenteil, es fördert und bringt die ganze Gesellschaft weiter. Ich sehe keinen zwingenden Widerspruch zwischen dem Ich und der Gesellschaft, dh. zwischen einer innenverankerten Orientierung und „sozial“ zu denken. Eine „gesunde“ Gesellschaft ist eine, in der die Menschen die Möglichkeit haben, sich weiter zu entwickeln. Ich glaube, wenn man das Glück hat, sich entwickeln zu können, möchte man oft etwas Wertvolles beitragen und der Gesellschaft etwas „zurückgeben“.
Zwang zum Wählen: Ausdruck der Persönlichkeit
So Schulze: „Wir sind dazu gezwungen „ständig Unterscheidungen nach ästhetischen Kriterien zu treffen...Fast immer sind jedoch die Gebrauchsunterschiede der Alternativen bedeutungslos. Waschmittel X wäscht so gut wie Waschmittel Y.“ (Schulze 1992, S. 55)
Ich blende viel aus der Werbungswelt aus (denke ich, hoffe ich...). Ich weiss, Waschmittel X ist so gut wie Waschmittel Y und ich möchte womöglich keine unnötige Zeit mit solchen „trivialen“ Entscheidungen verschwenden, wenn die Gebrauchsunterschiede wirklich bedeutungslos sind. Ich bin auch nicht auf „Image“ ausgerichtet. Das heisst, wenn ich Jeans kaufe, frage ich mich nie ob sie „in“ sind oder nicht. Wenn sie mir gefällt dann kaufe ich sie. Ich merke gar nicht was „in“ ist.
In einer Kultur wo viele unserer Entscheidungen ästhetisch sind, denke ich aber schon, dass diese Entscheidungen auch ein Ausdruck unserer Persönlichkeit und Identität sind. Ich sehe darin an sich nichts Verwerfliches. Wenn aber die Mode, Automarke, usw. unser Bewusstsein „dominieren“ dann werde ich schnell kritischer. Für mich heisst das, unsere Identität sollte keineswegs von materialistichen Dingen determiniert werden. Wir sind viel mehr als das und wer sich davon definiert lässt tut mir leid. Einen zu starken Fokus auf Konsum halte ich für etwas armselig.
Trotzdem ist nicht jede Kaufentscheidung auf der relativ trivialen ästhetischen Ebene. Zum Beispiel in Sachen Lebensmittel. Da geht es unter Umständen um Gesundheit und auch um ökologische Aspekte. Es gibt Welten zwischen in Massen produzierten tiefgefrorenen Pommes und frischem Bio-Salat aus der Gegend. Oder sogar in Sachen Auto: Wer zum Beispiel einen Prius Hybrid kauft, macht das sicherlich nicht (nur) aus ästhetischen Beweggründen. Das ist eine bewusste Entscheidung der Umwelt zuliebe.
Lifestyle
Ich bin in einer sehr progressiven Umgebung zu einer progressiven Zeit in den USA aufgewachsen. Durch meine Eltern und deren damaliges Milieu, merke ich heute als Erwachsener, dass ich von dem „Human Potential Movement“ sehr geprägt worden bin.
„Das Human Potential Movement (Abkürzung HPM) entstand in den 1960er Jahren und ging primär von Kalifornien/USA aus und erwuchs aus der Idee, dass in vielen Menschen ein noch unausgeschöpftes Entwicklungspotenzial schlummere. Die Bewegung stützt sich auf die Prämisse, das Menschen durch die Entfaltung ihres Entwicklungspotenzials ihre Lebensqualität verbessern und ein Leben in emotionaler Ausgeglichenheit, Kreativität und Erfüllung leben könnten. Es entwickelte sich innerhalb der Anhängerschaft eine Kultur der wechselseitigen Potenzialförderung, die mit der Annahme verbunden war, dass sich auf lange Sicht daraus ein positiver gesamtgesellschaftlicher Effekt ergeben müsste.“ (Quelle: Wikipedia)Wenn ich heute meinen Lebensstil benennen müsste, würde ich mich als ein „welt offener, progressiver gesundheitsbewusster „Selbstverwirklicher“ erkennen. Im Sinne von der Euro-Socio-Styles Karte der Lebensstile und Wertorientierungen bin ich eindeutig der „Weltoffene:. Quelle: ez-Sebastian Brenners Blog: http://sebastianbrenner.blogspot.com/2011/10/die-erlebnisgesellschaft-und-ich.html
Ich finde, wir haben alle das Potenzial „mehr vom Leben“ zu erfahren, aber damit meine ich nicht ausgehen, adventure travel, oder ständig ins Kino oder zur Ausstellung gehen, sondern wir haben die Möglichkeit uns zu verwirklichen und dadurch unser Leben „reicher“ zu machen. Das hat sehr wenig mit Geld zu tun und viel mehr mit einem „inneren Reichtum“ das auch gleichzeitig „sozial“ ist. Wenn wir uns als Individuen entwickeln, entwickeln wir gleichzeitig das Kollektiv.
Ich lehne die Konsumgesellschaft grösstenteils ab und entscheide mich eher für die persönliche Weiterentwicklung immaterialer Art. Ich war schon sehr lange der Konsumgesellschaft gegenüber kritisch, obwohl ich natürlich auch daran teilnehme. Konsum als Statussymbol gefällt mir gar nicht.
Ich kaufe ausschliesslich biologische Lebensmittel, weil ich merke, es tut meinem Körper und meiner Seele sehr gut. Ich glaube, es tut auch der Welt und Umwelt gut.
„Local and organic“ lautet das Credo.
Da ist aber ein Bereich, wo meine „ästhetischen“ Einkaufsentscheidungen tatsächlich meinen Lifestyle ausdrücken: Apple Computer! Es muss einfach Mac sein. Das Apple „Erlebnis“ ist seit Jahren fester Bestandteil meines Lebens und macht viel aus: iPod zum Laufen, MacBook Pro für unterwegs und zu Hause. (iPad, iPhone kommt noch...)
Meinen Lebensstil könnte ich auch als international oder mindestens bi-kulturell bezeichnen. Ich bin mit einer Deutschen verheiratet. Wir haben einen Sohn, der lebenslang die deutsche und US amerikanische Staatsangehörigkeit haben wird (darauf bin ich besonders stolz!)
Wir haben schon vor, einige Zeit in beiden Ländern sowie eventuell in weiteren europäischen Ländern zu wohnen. Ich habe viele geschäftliche Beziehungen in den Niederlanden. Meine Frau hat in Italien gewohnt und spricht auch fliessend Italienisch. Meine Geschäftspartnerin hat die deutsche und amerikanische Staatsangehörigkeit und hat jahrelang in beiden Ländern gelebt. Aus meinen Freundschafts- und Bekanntschaftskreisen kenne ich einige internationale Familien, die oft in einem dritten Land wohnen, wo alle Familienmitglieder „Ausländer“ sind. Ich finde diesen Lifestyle ganz spannend. Die Welt und verschiedene Kulturen kennenzulernen ist eine der spannendsten und erweiternsten Erlebnisse die ich mir vorstellen kann. Dadurch wird die eigene Kultur relativiert und der Blickwinkel erweitert.
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