Donnerstag, 14. Juli 2011

Web 2.0 bietet ein Potenzial, die Lernlandschaft zu transformieren


"Der Begriff Web 2.0 umreißt eine neue Sicht auf das Internet. Das Internet wird dadurch noch stärker dazu beitragen, dass das Lernen effektiver wird und sich unsere Bildungslandschaft dramatisch verändert." Kann man das „so“ sagen?


Ja!


Web 2.0 hat grosses Potenzial, das Lernen und die Bildungslandschaft zu transformieren. Das kommt aber nicht von allein. Es benötigt von Lernenden sowie Lehrenden ein neues Bewusstsein und neues Handeln, um die Potenziale von web 2.0 zu verwirklichen.


Neue Werkzeuge zur Unterstützung des social constructivism


Web 2.0 Technologien geben uns die Möglichkeit, das Lernen aktiver und deswegen effektiver nach den Prinzipien von social constructivism zu gestalten. Ein zentraler Aspekt für mich ist die Wandlung des Lerners vom consumer zum creator. Der traditionelle Lerner rezipiert was der Autor (die Lehrperson) produziert. In dieser Rolle ist er passiv während die Lehrperson aktiv ist. Dieser Ansatz hat unsere Bildungslandschaft seit sehr langem geprägt.


Es hat auch das elearning geprägt. Beim so genannten elearning 1.0 ging es hauptsächlich um die Darstellung von Inhalt und weniger darum, die Lernenden zu authentischen Lernaktivitäten anzuregen. (Medien als Übermittler von Wissen statt Bildungsmedien als Lernangebote.) Elearning 1.0 hat sich schon längst als gescheitert gezeigt.


Mit web 2.0 Technologien können Menschen jetzt an kommunikativen und kollaborativen Prozesse über Grenzen hinweg teilnehmen, was in der Welt von elearning 1.0 gar nicht möglich war. Darüber hinaus rückt bei web 2.0 der Lerner in den Mittelpunkt, und der Fokus ist eher auf den Lernprozess als nur der Lehrprozess gerichtet.


Gesucht: neudenkende und neuhandelnde medienkompetente Lerner und Lehrpersonen


Allein die Erscheinung von neuen web 2.0 Technologien bringt keine Garantie auf besseres Lernergebnis mit sich. Ihre Effektivität als Lernwerkzeuge kommt ganz auf die Nutzung an und fast gar nicht auf die technischen Features.


Dies stellt neue Anforderungen an Lernende und Lehrende.


Um erfolgreich im Web 2.0 Ozean schwimmen zu können, müssen sich Lerner sowie Lehrende einfach neue skills aneignen. Sie müssen ihr Medienbewusstsein und Medienkompetenz erhöhen. Web 2.0 Tools mögen sich intuitiv anfühlen, aber der See ist doch tief und breit, und ohne Strategien und Know-How kann man schnell ertrinken.


Medienkompetenz sollte unbedingt überall geschult werden, damit wir die Potenziale die das Web 2.0 birgt, realisieren können.


Neben neuen skills müssen wir zu permanenten selbst gesteuerten Lernern werden. Das Internet ist unsere wichtigste Quelle, und klug benutzt, kann es zu einem effektiven alltäglichen Lernwerkzeug werden.


Von Lehrpersonen benötigt es, dass sie web 2.0 Tools sinnvoll einsetzen.Nach Kerres gewinnt ein Tool seinen Mehrwert nur in spezifischen kommunikativen Situationen. Die kluge Nutzung bestimmt ob ein Tool nur Spielzeug oder Instrument des Lernens ist.


Lehrende sollten web 2.0 Werkzeuge immer in ein gut durchdachtes didaktisches Design einbetten. Der Job einer learning 2.0 Lehrperson ist es, ein Umfeld zu schaffen, damit die Lerner zusammen und auch alleine ihr eigenes Wissen und Werte kreieren können.


Real-world Beispiel von einer web 2.0 Lernkultur im Unternehmen


Ich habe eine sehr effektive web 2.0 Lernkultur bei einem meiner Kunden erfahren. Es ist ein großes internationales Unternehmen in den Niederlanden. Ihre Mitarbeiter sind überall auf der Welt verstreut, deshalb sind die meisten formellen Trainingkurse online oder höchstens blended. In den Kursen praktizieren sie einen social constructivist Ansatz. Lerner bearbeiten als Lerngegenstände eigene Projekte, Probleme, usw. mit Unterstützung von anderen Teilnehmern sowie von ihrer internen social networking community und auch Mitarbeitern und Vorgesetzten direkt am Arbeitsplatz. Die Kursteilnehmer coachen einander gegenseitig und geben einander formelles Feedback anhand von Kriterienlisten.


PowerPoint Präsentationen oder ähnliches von der Lehrperson kommen selten vor, denn die Lernenden kreieren ihr eigenes Wissen statt nur vorgekaute Informationen von der Lehrperson zu konsumieren.


Die Kurse sind motivierende Ereignisse, genau deswegen weil Teilnehmer mit einander über Grenzen hinweg kommunizieren und gemeinsam Inhalte direkt aus der realen Welt bearbeiten.

In dieser Branche muss man als technischer Mitarbeiter ständig lernen. Das Unternehmen könnte nie genug formelle Kurse anbieten, um diesen Lernbedarf zu decken. Vieles wird informell durch ihre interne „community of experts“ gelernt und gelehrt, wo man Mitarbeiter mit gewünschten Fertigkeiten oder Wissen suchen kann. Man kann durch dieses Tool ihr internes support network aufbauen. Dadurch dass es nicht verboten sondern gefördert wird, sich in diesem Netzwerk während der Arbeitszeit zu bewegen, bekommt man in der Regel sehr schnell eine Antwort auf Fragen. (Bildungsprobleme ad hoc von der internen community gelöst. Herrlich!) Dazu gibt es ein internes unternehmensweites Wiki, das rasant wächst, sowie sämtliche Foren und andere Kommunikationskanäle.


Dieses Beispiel zeigt ganz deutlich, dass eine lebendige und multidirektionale Web 2.0 Kultur existieren kann. Ich bin fest davon überzeugt, dass das in Bildungskontexten genau so möglich ist.


eLearning 2.0: social netlearning


Ich glaube dass das größte unerschöpfte Potenzial von web 2.0 für online learning die Verknüpfung von Lernen und social networks ist--sowie in informellen als auch in formellen Lernsituationen. Man könnte das „social netlearning“ nennen.


Warten wir nun auf die „Killer App“? Etwa so etwas wie ein Learnbook? Oder muss die „Revolution“ erstmal in unseren eigenen Köpfen passieren, bevor die vielen Tools, die bereits existieren, erst sinnvoll genutzt werden können?


Die Marktforschungsfirma Nielsen hat festgestellt, dass etwa 25% aller Internet Aktivität in den USA bereits in social networks passiert. Tendenz steigend. Wenn man social networking mit Lernen zusammen bringen könnte, würde das sogar viel mehr Potenzial von web 2.0 in unserer Lernlandschaft auslösen. Why not go where people already are?


In Deutschland boomen Facebook und Social Netzwerke mittlerweile auch. Viele sehen das kritisch, was teilweise vorteilhaft ist. Man sollte aber mit „kritisch sein“ nicht übertreiben, denn zu viel Kritik kann auch Kreativität und Innovation töten. Ich bin der Meinung, dass wir als Studenten von neuen Medien genau diejenigen sind, die neue Formen des Lernens erforschen, erfinden, und ausprobieren sollten.


Ausblick


Web 2.0 ermöglicht uns ein enormes Lernpotenzial. Das passt zu diesem Zeitalter, in dem das Lernen wichtiger denn je ist. Die Welt ändert sich ständig und immer schneller. Dies benötigt, dass wir selbstgesteuerte lebenslange Lerner werden.


Ich stelle mir eine Welt vor, in der viele eigene PLEs haben, die eine persönliche „Lernwelt“ enthalten, die auch mit anderen geteilt werden können. Ich stelle mir eine Welt vor, in der Lernende durch social networks und ähnliches regelmäßig formelle sowie informelle Lernerfahrungen mit anderen aus allen Ecken der Welt haben können.


Ich stelle mir eine Welt vor, in der das Internet unsere Lernpotenziale weit verbreitet. Natürlich gibt es Hürden zu überwinden und Gefahren zu vermeiden, aber die Chancen übertreffen bei weitem die Risiken.


You may say I’m a dreamer. But I’m not the only one.

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