
Die beiden sind begeisterte und kompetente Nutzer von neuen Medien mit vielen Übereinstimmungen aber auch ein paar kritische Unterschiede.
Medienkonsum: Lieblingsgeräte und deren Nutzung
Für die beiden gilt eindeutig: ihre iPhones sind die wichtigsten Geräte, mit denen fast alles gemacht wird: SMS schicken und empfangen, telefonieren, facebooken, Musik hören, Internet surfen, E-Mails schreiben und empfangen usw. Das iPhone wird also hauptsächlich für Kommunikative- sowie Unterhaltungsfunktionen benutzt. Die beiden haben gesagt, sie benutzen es auch, um sich zu informieren, aber das heisst: nur kurz bei Yahoo News reinzuschauen und schnell die Schlagzeilen abchecken.
An zweiter Stelle steht der Laptop, den die beiden meistens für schulische Arbeit nutzen. Jeder hat seinen eigenen Laptop. Sie schreiben Hausaufgaben mit Word. Sie benutzen den Laptop auch für Internet Recherchen bzw. zum Googeln.
Lieblings-Webseiten
Erica und Kirsten habe beide gesagt, dass sie die überwiegende Zeit im Internet bei Facebook verbringen. Erica verbringt da wesentlich mehr Zeit da pro Tag (2-3 Stunden) als Kirsten, die mehrmals am Tag kurz vorbeischaut. (Ihren unterschiedlichen Umgang mit Facebook kann man allein an der jeweiligen Anzahl von Freunden erkennen: Erica hat 783 Freune, Kisten 239.) Für die beiden ist Twitter die zweit beliebteste Webseite, aber sie verbringen viel weniger Zeit damit als bei Facebook.
Lebensstil
Erica und Kirsten wohnen in einem schönen Vorort von Milwaukee, Wisconsin. Erica ist in der 11. Klasse einer öffentlichen High School. Kisten ist in der 8. Klasse einer öffentlichen Junior High School. Man würde ihr soziales Milieu als obere Mittelschicht bezeichnen. In ihrem Ort sind die Einkommen überdurchschnittlich hoch. Die meisten Familien sind weiss mit europäische Abstammung und die Anzahl von Schülern aus Minderheitsgruppen ist gering.
Nach ihren Einschätzungen besitzen etwa 80% der Mitschülern von Erica und Kirsten ein eigenes iPhone oder ähnliches Smartphone. Den Laptopbesitz haben die Mädchen zwischen 50-60% geschätzt. Einen MP3 Player hat wirklich jeder, aber ein Tablet Computer wie ein iPad haben nur etwa 10% der Mitschüler. Nach der JIM Studie 2010 ist dies in Deutschland teilweise ganz anders: während fast alle Jugendliche ihr eigenes Handy und ihren MP3 Player besitzen, haben nur 11-16% der Jugendlichen ihr eigenes Smartphone oder iPhone. (In den USA besitzen insgesamt etwa 40% aller Jugendlichen ein Smartphone).
Web 2.0
Hier weicht das Nutzungsverhaltensmuster von den Digital Sisters von einander ab. Zwar benutzen die beiden als Lieblingstool das iPhone zu kommunikativen und Unterhaltungszwecken, aber was die weitere Nutzung des Intenets betrifft, sind die Schwester sehr unterschiedlich.
Erica verbringt mehr Zeit als Kirsten auf Facebook, wo sie gerne mit ihren Freunden kommuniziert (Nachrichten posten, lesen, und kommentieren, chatten, Fotos teilen und andere anschauen, kommentieren, usw.). Gelegentlich surft sie im Internet zum Unterhaltungszweck.
Jenseits Facebook verbringt Kirsten mehr Zeit als Erica im Internet. Sie surft gerne und produziert auch ihre eigenen Inhalte, die sie mit anderen teilt. Sie produziert zum Beispiel ihre eigenen Videos, die sie bei YouTube hochlädt. Sie hat auch einige Cartoons und Memes auf der Seite memestache.com publiziert. Kirsten spielt auch gern Videospiele, zu denen Erica eher weniger Lust hat.
Im Großen und Ganzen würde ich sagen, dass Erica eine eher (kommunikative!) Konsumentin ist, wobei Kirsten auch Autor von digitalen Inhalten ist, auch wenn der Inhalt nur zur Unterhaltung gedacht ist.
Die beiden haben zwar ein ähnliches Mediennutzungsverhaltensmuster, aber sie könnten schon zu zwei verschiedenen Subgruppen gehören. Nach der Studie von Treutmann et al. (Medienhandeln Jugendlicher, 2007) wäre Erica die Kommunikationorientierte und Kirsten sicherlich auch das aber vor allem ein so genannter Gestalter. Ob das so ist, weil Kirsten drei Jahre jünger ist (und deshalb eventuell noch „nativer“ ist), oder ob es einfach wegen verschiedener Persönlichkeiten, Interessen, und Begabungen ist, bleibt offen.
Digital Natives
Die beiden Mädchen kannten den Begriff Digital Natives nicht. Als ich ihnen diesen erklärte, konnten sich die beiden Mädchen sehr gut damit identifizieren. Erica und Kirsten halten die meisten Erwachsenen (mit deren Vater als grosse Ausnahme) für nicht so fit in digitalen Technologien als sich selbst und ihre Freunde. Erica hat gesagt, dass ihre Mutter sie oft fragt wie man gewisse Funktionen in dem iPhone oder in sonstigen digitalen Geräten steuert. Kirsten sagt, in der Schule ist es oft so, dass einige Lehrer die Schüler bei der Bedienung des Smartboards um Hilfe bitten müssen. Die beiden Mädchen haben aber enthusiastisch gesagt, dass ihr Vater eine grosse Ausnahme ist, der sogar mehr über die neuen Medien weiß als sie. (Ihr Vater ist ein so genannter „Tech Freak“ der unter anderem Programmierer ist.)
Der Fall der Digital Sisters zeigt, dass man sogar innerhalb einer Familie eigentlich nicht von einem einheitlichen Bild der Mediennutzung der Digital Natives sprechen kann. Ausserdem ist der Vater derjenige in der Familie der mit Technologie am meisten vertraut ist.
Digital native zusein ist sicherlich sehr von dem jeweiligen sozialen Hintergrund abhängig. Es ist aber auch von individuellen Verschiedenheiten abhängig. Die Begriffe Digital Natives und Digital Immigrants sind starke Tendenzen, die aber nicht als einfache oder absolute Kategorien verstanden werden sollten. Mein Bruder ist allein wegen seines Alters ein Digital Immigrant, aber er „spricht ohne Akzent“ sozusagen.
Die zwei Mädchen verbringen mehr Zeit in der digitalen Welt als sie Lesen. Wenn sie aber etwas Längeres oder Anspruchsvolles lesen, bevorzugen sie dieses auf gedrucktem Papier statt auf dem Bildschirm zu lesen. Sie haben auch beide gesagt, dass sie mehr Zeit beim traditionellen Fernsehen als bei der Nutzung von neuen Medien verbringen. In diesen zwei Hinsichten weichen sie von dem stereotypischen Bild eines Digital Natives ab.
Digital Age School
In der Theorie von Digital Natives hat der Autor Prensky geschrieben, dass die alten schulischen Methoden oft veraltet sind und nicht mehr zu den Lernstilen, Gewohnheiten und Präferenzen von Jugendlichen passen. Ich wollte fragen, wie die schulischen Methoden bei Erica und Kirsten aussehen.
Es sieht so aus, dass die Schule wirklich was auf dem Kasten, was das „digital Age“ betrifft:
—Wenn ein Schüler abwesend ist, kann er die Hausaufgaben von einem share point downloaden.
—Bei einem Kurs von Erica wurde Moodle zum Einsatz gebracht, um den Schülern
—Die beiden Mädchen haben auch von dem Einsatz von Serious Games berichtet. Bei Kirsten war es in Mathe und bei Erica in Physik (Energy Skate Park).
—Alle Schüler haben auch schulische E-Mail Adressen, die die Lehrer benutzen können, um den Schülern wichtiges mitzuteilen.
—Die Lehrer fördern, dass die Schüler auch das Internet als Recherche-Werkzeug
—Die Schüler bekommen noch eine Art von online Unterstützung: Die Schulbücher haben Webseiten, wo Schüler Videos zum entsprechenenden Thema anschauen können.
Im Grossen und Ganzen haben die Mädchen berichtet, dass ihre Lehrer ziemlich fit mit der neuen Technologie sind, was sie sehr gut finden. Manchmal gibt es einen Lehrer der altmodisch erscheint, aber die meisten sind anscheinend ziemlich up to date.
Fazit
Erica und Kirsten sind durchaus Digital Natives. Sie sind im digitalen Zeitalter geboren und wachsen in dieser Zeit auf. (Sie haben beide zum Beispiel nie einen Kartenkatalog, Telefon mit Drehscheibe oder eine Schreibmaschine benutzt.) Trotzdem sind Erica und Kirstens Mediennutzungsverhalten ähnlich aber nicht identisch.
Die Mädchen wachsen in einem durchaus priviligierten Umfeld auf, das die Nutzung von Medien fördert. Aber selbst unter solchen Jugendlichen kann es grosse Abweichungen geben, sodass man von einer homogenen Nutzung und Kompetenzebene nicht sprechen kann. Digital Natives mag es geben, aber nie undifferenziert. Einige sind in der Technologie begabter oder interessierter und gehen besser damit um als andere. Ausserdem ist es immer möglich, dass ein so genannter Digital Immigrant auch sehr fit wird und „akzent frei“ agieren kann.